Quelle: Microsoft Encarta 97

Marokko (amtliche arabische Bezeichnung: Al Mamlaka al Maghribijja), Erbmonarchie, deren Staatsgebiet im Norden an das Mittelmeer, im Osten und Südosten an Algerien, im Süden an die Westsahara und im Westen an den Atlantik grenzt. Die südöstliche Landesgrenze in der Wüste Sahara ist nicht genau definiert. Die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla liegen auf marokkanischem Staatsgebiet an der Mittelmeerküste. Einige kleine Inseln vor der Nordküste des Landes sind ebenfalls Besitzungen Spaniens. Von 1912 bis 1956 war Marokko selbst in französische und spanische Protektoratsgebiete aufgeteilt. Das heutige Staatsgebiet umfaßt eine Fläche von 446 550 Quadratkilometern. Seit 1979 hält Marokko die angrenzende Westsahara (früher Spanisch Sahara) besetzt.

Land

Marokko besitzt die weitesten Ebenen und höchsten Gebirge in Nordafrika. Das Land ist in vier Hauptregionen unterteilt: Parallel zur Mittelmeerküste erhebt sich die Hochlandregion des Er Rif (Rifatlas); das Atlasgebirge erstreckt sich vom Südwesten zum Nordosten des Landes zwischen der Atlantikküste und dem Rifatlas, von dem das Gebirge durch die Tazafurche getrennt ist; eine breite Küstenebene, die bogenförmig vom Rifatlas und dem Atlasgebirge flankiert wird, dehnt sich entlang des Atlantischen Ozeans aus; die Ebenen und Täler südlich des Atlasgebirges verlaufen an der südöstlichen Grenze des Landes in die Sahara. Höchster Berg des Landes ist der Jebel Toubkal, der sich in der Gebirgskette des Hohen Atlas auf 4 165 Meter erhebt. Der Rifatlas erreicht eine Höhe von etwa 2 440 Metern. Marokko verfügt über zahlreiche Flüsse, die zwar für die Schiffahrt weitgehend unbedeutend sind, jedoch für die Bewässerung und Energieerzeugung genutzt werden. Zu den wichtigsten Flüssen gehören der Moulouya, der ins Mittelmeer, und der Sebou, der in den Atlantischen Ozean mündet. Die Böden entlang der Küstenlinie sind halomorph (stark salzhaltig) und zeichnen sich durch einen hohen Humus- und Kohlenstoffgehalt aus, während im Landesinneren überwiegend Podsole (Bleicherden) und Steppenböden vorherrschen. Der Süden des Landes besteht größtenteils aus Wüste.

Klima

Entlang der Mittelmeerküste herrscht subtropisches Klima vor, das durch den ozeanischen Einfluß abgemildert wird. In Essaouira (Mogador) liegt das Temperaturmittel im Januar bei 16,4 °C und im August bei 22,5 °C. Im Landesinneren sind die Winter jedoch kälter und die Sommer wärmer. In Fès, das weiter im Landesinneren liegt, beträgt das Temperaturmittel im Januar 10 °C, im August 26,9 °C. In höher gelegenen Gebieten sind Temperaturen um -17,8 °C keine Seltenheit, und die Berggipfel sind die längste Zeit des Jahres schneebedeckt. Regen fällt vorwiegend in den Wintermonaten; die Niederschlagsmenge nimmt vom Nordwesten nach Süden und Osten rasch ab. Die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge beträgt in Tanger etwa 955, in Casablanca 430, in Essaouira 280 und in der Sahara weniger als 102 Millimeter.

Flora und Fauna

Die Bergregionen Marokkos sind von ausgedehnten Waldflächen bedeckt, die u. a. aus Korkeichen, Eichen, Wacholder, Zedern, Tannen und Kiefern bestehen. In den Ebenen, die nicht als landwirtschaftliche Nutzflächen dienen, gedeiht vor allem Strauchvegetation und Alfagras. Nahe der südlichen Landesgrenze bedecken Arganien, eine Art von dornigen Eisenholzbäumen, die vorwiegend in Marokko wachsen, in ausgedehnten Wäldern das Becken von Oued Sous.

Die marokkanische Tierwelt stellt eine Mischung aus in Europa heimischen Tieren und afrikanischen Tierarten dar. Zu den für Europa charakteristischen Tierarten gehören vor allem Wildschweine, Füchse, Kaninchen, Otter und Hörnchen, die in großer Menge vorkommen; die für Afrika typischen Arten umfassen Gazellen, Panther, Paviane, Wildziegen und die giftigen Hornvipern.

Bevölkerung

 

Die ursprünglichen Bewohner Marokkos waren Berber, etwa drei Viertel aller heutigen Marokkaner stammen von ihnen ab. Die zweitgrößte Gruppe bilden die Araber, die vor allem in den größeren Städten leben. Es kommt häufig zu Eheschließungen zwischen Arabern, Berbern und den wenigen Schwarzafrikanern, den Nachkommen ehemaliger Sklaven. In Marokko leben derzeit annähernd 100 000 Europäer, meist Franzosen. Die etwa 12 000 im Land verbliebenen Juden (1952: 218 000) sind größtenteils Nachkommen von Familien, die bereits seit Jahrhunderten in der Gegend wohnen. Die Urbanisierungsrate liegt bei 50 Prozent.

Die Einwohnerzahl Marokkos betrug 1993 etwa 27 260 000. Daraus errechnete sich eine Bevölkerungsdichte von ungefähr 63 Menschen pro Quadratkilometer.

Wichtige Städte

Landeshauptstadt ist Rabat mit ungefähr 674 000 Einwohnern (1990, Stadt und Umgebung). Weitere wichtige städtische Ballungszentren (1990) sind Casablanca (etwa 2 300 000 Einwohner), die größte Stadt des Landes und zugleich wichtigster Seehafen, die beiden wichtigen Handelszentren Marrakech (etwa 482 000 Einwohner) und Fès (etwa 548 200 Einwohner) sowie die Hafenstadt Tanger (etwa 312 200 Einwohner) an der Straße von Gibraltar.

Religion

 

Der Islam ist die Staatsreligion des Landes. Fast die gesamte muslimische Bevölkerung gehört der sunnitischen Glaubensrichtung an. Staatsoberhaupt und oberste muslimische Autorität des Landes ist der König. Ungefähr ein Prozent der Bevölkerung bekennt sich zum Christentum und weniger als 0,1 Prozent zum Judentum.

Sprache

Die Berbersprachen haben ihre ehemals zentrale Bedeutung zunehmend verloren. In den frühen neunziger Jahren sprachen nur noch etwa 25 Prozent der Bevölkerung eine Berbersprache als Muttersprache. Die meisten von ihnen sprechen auch die marokkanische Amtssprache Arabisch, die Muttersprache für ungefähr 75 Prozent der Bevölkerung ist. Weitere geläufige Sprachen sind Französisch und Spanisch.

Soziales

Das Gesundheitswesen ist in den Städten vergleichsweise gut entwickelt, während die medizinischen Versorgungseinrichtungen in den ländlichen Gegenden immer noch unzureichend sind. Anfang der neunziger Jahre lag die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer bei 61,6 Jahren, für Frauen bei 65 Jahren.

Bildung und Kultur

 

Marokko wurde im Verlauf seiner Entwicklung von verschiedenen antiken Kulturen beeinflußt. Bei Ausgrabungen hat man Relikte der phönizischen, hellenischen, karthagischen und römischen Kulturen entdeckt. Die Araber führten in Marokko eine Schriftsprache ein, die auch heute noch im Geschäftsleben und kulturellen Bereich die vorherrschende Sprache ist. Westafrikanische Kultureinflüsse, besonders im Tanz, gelangten über Handelsverbindungen ins Land.

Bildung und Schulwesen

Die allgemeine Schulpflicht für Kinder im Alter von sieben bis dreizehn Jahren wurde 1963 in Marokko eingeführt, es nehmen jedoch viel weniger Mädchen als Jungen am Schulunterricht teil. Insgesamt besuchen weniger als 40 Prozent aller Kinder im Sekundarschulalter den Unterricht. Lehrsprache ist Arabisch, aber in Sekundarschulen wird auch in französischer Sprache unterrichtet. Anfang der neunziger Jahre schätzte man die Analphabetenquote auf etwa 50 Prozent.

Traditionelle Bildung wird an der altehrwürdigen Universität al-Qarawiyin in Fès vermittelt, die bereits 859 n. Chr. gegründet wurde. Moderne Bildungseinrichtungen sind die Mohammed-V.-Universität (Gründungsjahr 1957) in Rabat, die Mohammed-Ben-Abdellah-Universität (1974) in Fès, die Cadi-Ayyad-Universität (1978) in Marrakech, die Hassan-II.-Universität (1976) in Casablanca und die Mohammed-I.-Universität (1978) in Oujda. In Rabat befinden sich ferner Hochschulen für die schönen Künste, Verwaltungswissenschaften, Agrarwirtschaft und Wirtschaft, und in Tétouan gibt es eine Hochschule für Volkskunst und Handwerk, die 1921 gegründet wurde.

Kultureinrichtungen

Die 1920 gegründete marokkanische Nationalbibliothek befindet sich in Rabat. Daneben sind die Bibliothek in Casablanca und die Universitätsbibliothek in Fès zu nennen. Marokko verfügt über einige große Museen, darunter das Ärchäologische Museum in Tétouan, das Sammlungen der karthagischen, römischen und islamischen Kultur beherbergt.

Medien

Rundfunk- und Fernsehprogramme werden in mehreren Sprachen gesendet. Neben zwölf Tageszeitungen erscheinen zahlreiche Zeitschriften.

Verwaltung und Politik

Marokko ist gemäß der 1992 per Gesamtreferendum verabschiedeten Verfassung eine Erbmonarchie.

Exekutive

Der Monarch, der laut Verfassung männlich sein muß, ist das Staatsoberhaupt von Marokko und ernennt den Premierminister und das Regierungskabinett. Er ist zur Auflösung der Legislative berechtigt, kann durch sein Veto die Revision von Gesetzeserlassen bewirken und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Legislative

Nach der Verfassung von 1972 wird die Legislative vom Repräsentantenhaus ausgeübt, einem Einkammerorgan, dessen 306 Mitglieder jeweils auf sechs Jahre gewählt werden. 206 Abgeordnete werden in allgemeiner freier und direkter Wahl gewählt und die verbleibenden 100 Abgeordneten werden durch Provinzversammlungen und Berufskammern ernannt.

Judikative

Die höchste Instanz des Gerichtswesens ist das Oberste Gericht mit Sitz in Rabat. Es gibt in Marokko 15 Berufungsgerichte. Klagen, die lediglich geringere Geldsummen zum Gegenstand haben, werden vor kommunalen Tribunalen verhandelt, während wichtigere Fälle von Regionalgerichten bearbeitet werden. Marokko verfügt außerdem über 14 Arbeitsgerichte.

Kommunalverwaltung

Marokko ist in 35 Provinzen und sieben Stadtpräfekturen unterteilt, verfügt jedoch zusätzlich über vier weitere Provinzen im umstrittenen Gebiet der Westsahara. Den Provinzen stehen Gouverneure vor, die vom König ernannt werden und deren Amtszeit willkürlich von der zentralen Nationalregierung bestimmt wird. Jede Provinz ist in cercles gegliedert, die sich in sogenannte circonscriptions (Wahlkreise) aufspalten.

Politik

Marokko verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die wichtigsten Parteien sind die Istiqlal (eine gemäßigte Gruppierung, die 1944 gegründet wurde), die konservative Partei Mouvement Populaire (gegründet 1959), die regierungsnahe Rassemblement National des Indépendents (RNI; gegründet 1978) und die Union Constitutionelle, die 1983 entstand.

Verteidigung

Für Männer besteht in Marokko eine allgemeine Wehrpflicht von 18 Monaten.

Wirtschaft

Marokko ist ein Agrarland, auch wenn insgesamt nur etwa 20 Prozent des Landes für den Ackerbau genutzt werden. Anfang der neunziger Jahre belief sich das Bruttosozialprodukt etwa auf 27 Milliarden US-Dollar, was umgerechnet ein Pro-Kopf-Einkommen von 1 030 US-Dollar ergibt. Der Staatshaushalt enthielt Steuereinnahmen in Höhe von ungefähr 7,5 Milliarden US-Dollar und Ausgaben in Höhe von 7,7 Milliarden US-Dollar. Zur selben Zeit waren 7,9 Millionen Menschen in Marokko erwerbstätig, von denen ungefähr 39 Prozent in der Landwirtschaft, circa 7,9 Prozent im Dienstleistungssektor und etwa 15,5 Prozent in der Industrie tätig waren. Nur ein geringer Prozentsatz aller Erwerbstätigen ist gewerkschaftlich organisiert. Die bedeutendsten Gewerkschaftsorganisationen sind die Union Marocaine du Travail und die Union Générale des Travailleurs du Maroc.

Landwirtschaft

 

In den frühen neunziger Jahren waren die wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte Getreide, insbesondere Gerste und Weizen, Kartoffeln, Melonen, Oliven, Trauben, Hülsenfrüchte, Datteln, Zuckerrohr und Zuckerrüben. Der Viehbestand umfaßte etwa 17 Millionen Schafe, 5,5 Millionen Ziegen und 3,3 Millionen Rinder.

Forstwirtschaft und Fischerei

Kork ist das wichtigste Produkt der marokkanischen Forstwirtschaft. Ein großer Teil des Baumbestands wird als Brennstoff genutzt. Die wichtigsten Fischereizentren sind Agadir, Safi, Essaouira und Casablanca. Gefangen werden vor allem Sardinen, Thunfisch, Makrelen, Sardellen sowie Schalen- und Krustentiere.

Bergbau

Marokko verfügt über reiche Phosphatlagerstätten und gehört daher zu den führenden Produzenten von Phosphatgestein. Ferner werden Kohle, Eisenerz, Mangan, Blei und Zink abgebaut. Weitere wichtige Bodenschätze sind Kobalt, Erdöl und Silber.

Industrie und Handel

Vorwiegend in Kleinbetrieben und mittelständischen Unternehmen werden Baumaterialien und Chemikalien erzeugt, Erdöl raffiniert und Textilwaren, Schuhe, Nahrungsmittel und Wein hergestellt. Das Handwerk fertigt Stoffe und Textilien, Lederwaren, Keramik, Teppiche und hochwertige Holzprodukte.

Währung

Die marokkanische Währungseinheit ist der Dirham, der sich aus 100 Francs zusammensetzt. Die Währung wird von der marokkanischen Nationalbank Banque al-Maghrib (gegründet 1959) ausgegeben. Marokko verfügt außerdem über mehrere große Privatbanken.

Außenhandel

Wichtigste Exportgüter sind Phosphate und Phosphorsäuren. Ferner werden Zitrusfrüchte, Weizen, Fisch und Mineralien ausgeführt. Anfang der neunziger Jahre konnten durch den Güter- und Warenexport jährlich etwa 3,5 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet werden. Die Importe konzentrieren sich auf den Anlagenbau, Nahrungsmittel, Fertigprodukte und Brennstoffe. Die Wareneinfuhr belief sich auf 6,5 Milliarden US-Dollar. Wichtigste Handelspartner Marokkos sind Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Arabischen Emirate. Devisen gelangen als Überweisungen der rund eine Million marokkanischen Arbeitnehmer im Ausland und durch den Tourismus ins Land.

Verkehrswesen

Marokko verfügt über große Hafenanlagen, die sich vor allem in Casablanca befinden. Weitere wichtige Häfen sind Agadir, Kenitra, Mohammedia, Safi und Tanger. Das Straßennetz ist nur zu etwa 47 Prozent befestigt. Wichtigste nationale Fluggesellschaft für den in- und ausländischen Flugverkehr ist die Royal Air Maroc.

Energie

Über 90 Prozent der jährlich erzeugten Elektrizitätsmenge stammen aus Wärmekraftwerken, die verbleibenden zehn Prozent werden durch Wasserkraft geliefert.

Geschichte

Die Geschichte der Region wurde von den Beziehungen der Berber, der ursprünglichen Bevölkerung in diesem Gebiet, zu verschiedenen fremden Völkern geprägt, die im Lauf der Zeit in das Land eindrangen.

Die ersten Eindringlinge von geschichtlicher Bedeutung waren die Phönizier, die im 12. Jahrhundert v. Chr. an der Mittelmeerküste der Region Handelsniederlassungen gründeten. Diese Stadtkolonien wurden später von den Karthagern übernommen und vergrößert. Die Eroberung von Karthago durch das Römische Reich im 2. Jahrhundert v. Chr leitete die Vorherrschaft der Römer an der afrikanischen Mittelmeerküste ein. Etwa um 42 n. Chr. wurden die nördlichen Landesteile des heutigen Marokko mit Teilen Algeriens zur römischen Provinz Mauretania Tingitana zusammengefaßt. Im Zug der Invasionen durch die germanischen Völker, die den Untergang des Römischen Reiches begleiteten, besetzten die Wandalen 429 Mauretania Tingitana. Der byzantinische Feldherr Belisarius (Belisar) besiegte die Wandalen 533 und unterstellte einige Teile des Landes dem Byzantinischen Reich.

Eroberung durch die Muslime

Die Herrschaft des Byzantinischen Reiches wurde durch die Araber beendet, die 682 bei ihren Bemühungen, den Islam in den Gebieten der Ungläubigen zu verbreiten (siehe Dschihad), nach Marokko vordrangen. Bis auf die Anhänger des Judentums übernahm die Bevölkerung Marokkos schon bald die Religion der arabischen Eroberer. Bei der darauffolgenden Unterwerfung Spaniens wurden ausschließlich Berbertruppen eingesetzt.

Die ersten arabischen Herrscher über das gesamte heutige Marokko entsprangen der Dynastie der Idrisiden, die von 789 bis 926 regierte. Es folgten andere arabische und berberische Dynastien, von denen vor allem die Herrschaft der Almoraviden von 1062 bis 1147 und der Almohaden von 1147 bis 1258 erwähnenswert sind. Unter den Almohaden entwickelte sich Marokko zum Zentrum eines Großreiches, zu dem Algerien, Tunesien, das heutige Libyen sowie große Teile von Spanien und Portugal zählten.

Das Reich der Almohaden begann nach der Niederlage der Marokkaner gegen die Spanier in der Schlacht von Las Navas de Tolosa (1212) zu zerfallen. Gegen Mitte des 13. Jahrhunderts hatte die almohadische Dynastie ihre Macht eingebüßt und es folgte eine Zeit der Wirren, die von nahezu ununterbrochenen Kämpfen zwischen Berbern und Arabern bestimmt waren. Die Herrschaft von Angehörigen verschiedener Dynastien über Teile des Landes war ineffektiv und jeweils nur von kurzer Dauer. Portugal konnte 1415 den Hafen Ceuta erobern. Dieser Vorstoß begründete eine Epoche der schrittweisen Machtausweitung Spaniens und Portugals über die marokkanischen Küstengebiete.

Unter der Herrschaft der Saaditen, der ersten Scherifendynastie (1554-1660), erfuhr Marokko einen enormen Wiederaufschwung. Die Marokkaner fügten Portugal 1578 eine vernichtende Niederlage zu und eroberten bis zum Ende des 17. Jahrhunderts die meisten Küstenstädte zurück. Die Regierungszeit von Ahmed I. al-Man-sur (1579-1603) gilt als das goldene Zeitalter Marokkos. Das Land profitierte zu dieser Zeit von der Einwanderung von fast einer Million Schwarzafrikaner und Juden, die nach 1492 aus Spanien vertrieben worden waren. Vor allem das Handwerk und die Architektur florierten.

Den Saaditen folgte die zweite Scherifendynastie, die Marokko ab 1660 beherrschte und ihren Höhepunkt in der Regierungzeit von Mulai Ismail al-Hasani (1672-1727) fand. Al-Hasanis Herrschaft folgte eine lange Zeit von Unruhen, die immer wieder von kurz anhaltendem Frieden und Wohlstand unterbrochen wurde.

Eindringen der europäischen Mächte

Spanien führte zwischen 1859 und 1860 Krieg gegen Marokko und konnte sich Tétouan sichern.

Im April 1904 erkannte Großbritannien – als Gegenleistung für die Anerkennung Ägyptens als britisches Interessengebiet – Marokko als Interessengebiet Frankreichs an. Im gleichen Jahr noch teilten Frankreich und Spanien Marokko unter sich auf, wobei Spanien als Unterpächter von Frankreich der erheblich kleinere Teil zufiel. Das deutsche Kaiserreich protestierte schon sehr bald gegen die französische Kolonialpolitik und im Januar 1906 wurde im spanischen Algeciras eine Konferenz der wichtigsten Länder einberufen, in deren Folge jeder Nation die gleichen wirtschaftlichen Interessen in Marokko zugestanden wurden.

Im Juli 1911 entsandten die Deutschen ein Kanonenboot nach Agadir und versuchten so, den Widerstand der marokkanischen Bevölkerung gegen die französische Vorherrschaft zu stärken. Dieser Vorfall zog die Mobilisierung der französischen Truppen nach sich und hätte fast zu einem Krieg zwischen Frankreich und Deutschland geführt. Die Streitigkeit wurde in späteren Verhandlungen beigelegt und Deutschland stimmte der Errichtung eines französischen Protektorats in Marokko zu.

Im März 1912 erkannte der Sultan das französische Protektorat an. Etwas später im selben Jahr konnte sich Frankreich bei Neuverhandlungen mit Spanien 1904 einen größeren Teil des marokkanischen Territoriums sichern.

Kampf um die Unabhängigkeit

In Spanisch-Marokko wurde von Abd el-Krim, einem Führer der Stämme im Rifgebiet, 1920 eine Revolte gegen die spanische Herrschaft organisiert. Bis 1924 hatte er die spanischen Besatzer größtenteils aus den marokkanischen Gebieten vertrieben und bekämpfte nun die französische Kolonialmacht. Über 200 000 Soldaten beteiligten sich unter dem französischen Marschall Henri Philippe Pétain am Einsatz gegen die Aufständischen, der 1926 mit dem Sieg der Franzosen endete. Im Rückzugsgebiet der Berber, im Hohen Atlas, dauerten die Kämpfe jedoch bis 1934 an.

Nach der Einnahme Frankreichs durch Deutschland im Jahr 1940 billigte Frankreichs Kollaborationsregierung (Vichy-Regime) die Beteiligung Marokkos am 2. Weltkrieg auf seiten Deutschlands. Im November 1942 landeten amerikanische Truppen in Marokko und besetzten das Land. Im weiteren Verlauf des 2. Weltkrieges diente Marokko als wichtige Versorgungsbasis für die alliierten Streitkräfte.

1944 schlossen sich nationalistische Marokkaner zur Partei Istiqlal zusammen, die schon sehr bald die Unterstützung von Sultan Muhammad V. und der arabischen Mehrheit gewinnen konnte, jedoch auf starke Opposition der meisten Berberstämme stieß. Frankreich lehnte den Antrag des Sultans auf Regierungsautonomie 1950 ab. Der Sultan wurde im August 1953 abgesetzt, konnte jedoch im Oktober 1955 mit französischer Zustimmung als König von Marokko den Thron wieder besteigen.

Unabhängigkeit

Frankreich erkannte die Unabhängigkeit Marokkos im März 1956 an. Einen Monat später folgte die prinzipielle Anerkennung der Unabhängigkeit Spanisch-Marokkos und der Einheit des Sultanats durch Spanien. Die Herrschaft über einige Gebiete und Städte im ehemaligen Protektorat wurde jedoch weiterhin beibehalten. Tanger wurde im Oktober 1956 wieder ans marokkanische Königreich angegliedert, Ifni im Januar 1969.

Nach dem Tod König Muhammads V. (1961) ging der Thron an seinen Sohn Hassan II. über. Dieser erließ eine königliche Charta, durch die nach einem Referendum Marokko im Dezember 1962 zu einer konstitutionellen Monarchie erklärt wurde. Die ersten allgemeinen Wahlen des Landes fanden 1963 statt. Im Juni 1965 löste der König jedoch vorübergehend das Parlament auf, übernahm die gesamte Exekutiv- und Legislativmacht und erfüllte so zwei Jahre lang die Funktion eines Premierministers. Hassan leistete der arabischen Seite 1967 im Krieg gegen Israel Unterstützung und bemühte sich im Anschluß daran um die Wahrung der arabischen Einheit. 1971 und 1972 wurden Anschläge auf ihn verübt.

Saharakrieg

In den Jahren 1974 und 1975 übte Marokko starken Druck auf Spanien aus, um die Entkolonialisierung der Spanischen Sahara zu erwirken. 1976, nach ihrem Rückzug aus dem Gebiet, übergaben die Spanier im Norden zwei Drittel der ehemaligen Kolonie an Marokko, während Mauretanien das südliche Drittel erhielt. Dieser Landesteil, der über bedeutende Vorkommen stark phosphathaltiger Gesteine verfügt, wurde von der Frente Polisario, einer politisch-militärischen Organisation, die sich um die Errichtung der unabhängigen Nation Westsahara bemühte, beansprucht. Nachdem 1979 auch der ehemals mauretanische Teil von Westsahara an Marokko gefallen war, sah sich die marokkanische Armee verstärkten Angriffen der Frente Polisario, die von Algerien und Lybien unterstützt wurde, ausgesetzt. Trotz internationaler Proteste mobilisierte Hassan zusätzliche Truppen und Mittel, um die Phosphatminen und großen Städte vor den Übergriffen zu schützen. 1984 kündigte Marokko seine Mitgliedschaft in der Organisation für Afrikanische Einheit auf, um so gegen die Teilnahme einer Polisario-Delegation zu protestieren. Die Vereinten Nationen bemühten sich in den achtziger und frühen neunziger Jahren um eine Beendigung der Streitigkeit. 1988 scheiterten jedoch die Verhandlungen über eine dauerhafte Beilegung des Konfliktes, da es zu Unstimmigkeiten hinsichtlich der Durchführung eines Referendums über die Zukunft der Westsahara gekommen war. Nach einer neuen Verfassung, die per Referendum mit überwältigender Mehrheit angenommen worden war, beteiligten sich auch Wahlkreise in der Westsahara an den Kommunalwahlen von 1992. In den Parlamentswahlen von 1993 konnte eine Mitte-Rechts-Koalition die meisten Stimmen auf sich vereinen, ohne jedoch eine regierungsfähige Mehrheit zu erlangen. Im November 1993 ernannte König Hassan ein Kabinett aus Technokraten und Unabhängigen, das im Februar 1995 durch ein Kabinett, dessen Mitglieder teilweise gewählt worden waren, ersetzt werden konnte. Der neuen Regierung gehörten auch einige Repräsentanten der rechtsgerichteten Parteien an.

 

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